Donnerstag, 15. März 2012

Wuppertal 2: Über der Wupper

Radio Wuppertal spielt im Frühstücksradioprogramm Faithless.

Vormittag war frei, ich bin in die Schwebebahn eingestiegen. Was habe ich gemacht? Die Einschienenbahn. Was? Einschienenbahn!

Wer in der Wuppertaler Einschienenbahn fährt, schwebt und schaukelt in einem Waggon direkt über dem Wasser der Wupper durch die Stadt. Und wer mich kennt, wird vielleicht vermuten, dass mir so etwas gefällt. In den Kurven lehnt sich der Waggon leicht in eine Richtung und man muss sich an den Haltestangen festhalten.
Das Ufer der Wupper schmeichelt den Kaputten: Irgendwie abgelebt und dreckig, irgendwie Baustelle und irgendwie trotzdem bewohnt. Die Waggons schweben vorbei an Häusern mit heruntergebrochenen Balkonen und eingestürzten Dächern. In den Gärten der Häuser liegt Abfall, Anhäufungen von Einkaufwägen und Autoreifen. Ein Haus hat eine groteske Außenwendeltreppe, die von dem verdreckten Garten zu einem Fester im ersten oder zweiten Stock führt. Es gibt eingeschlagene Fenster und andere, solche, die den Blick auf Büroräume zulassen, in denen Menschen mit Kurzärmelhemden vor Computern sitzen und arbeiten – alles in unmittelbarer Nachbarschaft. Zwischen Industrieruinen sehe ich sehe ein Tanzstudio, einen Kindergarten, Büro-, Lager-, und Wohnanlagen.

Mir kommt die Vermutung, dass die Wupper auch höheres Wasser führen könnte.

In einer Gegend, die mir irgendwie gefallen hat, bin ich dann ausgestiegen. Fans von Ex-Drummer, Herman Brusselmans oder diesem Belgier, der die verfallenen Häuser fotographiert kennen Ostende. Das ist eine Stadt in Belgien, die mir nur bekannt ist, weil die drei vorgestellten Quellen sie als besonders heruntergekommen darstellen. Alles kaputt und geschlossen, die Leute dort sind arbeitslos und reden flämisch. Sie können es sich vorstellen. In Wuppertal gibt es Westenede.


Wuppertal Westende, Wohnen im Stil des viktorianischen Englands: Backsteinmauern, Fabriksschlote und ein Fluss, der dazwischen durchfließt und den Dreck wegspült. Die Mauern sind mit Graffiti besprüht, Tags und Schmierereien. Zu lesen ist: LOVE IS FOR EVERYONE / WUPPERTAL / DU SOLLST DEINE STADT NICHT BESCHMUTZEN.

In Westende geht jemand mit seinem Hund spazieren und sagt mir „Guten Morgen.“ Ich sehe am Boden die Schalen einer frisch geschälten Orange und in den Fenstern Zettel mit der Aufschrift „Geschäftslokal zu vermieten“. Die Leute an der roten Ampel drücken auf den Knopf, damit die Ampel auf grün umschaltet; sie warten auch wenn kein Auto kommt.

Sie kennen die Stellen: Mauthner schreibt: „Die Sprache ist geworden wie eine große Stadt. Kammer an Kammer, Fenster an Fenster, Wohnung an Wohnung, Haus an Haus, Straße an Straße, Viertel an Viertel, und das alles ist ineinander geschachtelt, miteinander verbunden [...] und Wittgenstein schreibt: „Unsere Sprache kann man ansehen als eine alte Stadt: Ein Gewinkel von Gäßchen und Plätzen, alten und neuen Häusern, und Häusern mit Zubauten aus verschiedenen Zeiten; und dies umgeben von einer Menge neuer Vororte mit geraden und regelmäßigen Straßen und mit einförmigen Häusern.“

Auch in Westende habe ich keine Plätze gesehen, nur Straßen und Kreuzungen. Und obwohl es keine Plätze gibt, stehen hier und da kleine Menschentrauben, die miteinander plauschen. Der Mauthner erwähnt nur Häuser und Straßen. Bei Wittgenstein gibt es auch Plätze. Vielleicht war es doch nicht so verkehrt, Fritz Mauthner nach Wuppertal zu holen.

Wohnen im Stil des viktorianischen Englands (auch wenn ich hinter den Mauern Desingerlofts vermute)



Auch das ist San Francisco

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