Freitag, 5. Dezember 2014

Showbar 1

Gestern habe ich endlich Drachen gesehen, sagt mir die Russin bei einem Mittagessen und ich habe keine Ahnung, was sie damit meint, bis mir mit gedolmetschten Fragen klar wird, dass sie den Lindwurm vom Klagenfurt meint. Es war nicht einfach für sie, Drachen zu sehen, weil Weihnachten um den Drachen aufgebaut war, d.h. die Häuser des Adventmarkts, die sich am neuen Platz um die Steinfigur reihen und Einheimischen wie Angereisten den Blick versperren.

Auf unserer Suche nach einem offenen Glühweinstand finden K. & ich eine Portraitstation, bei dem man um fünf Euro die Zeichnungen von Hollywood-Stars von Depp bis Jolie sowie des verunglückten Landeshauptmanns von Kärnten (sein Portrait ist mit Wäschekluppen zu den Hollywood-Stars dazugeklemmt) kaufen kann. Bei den Glühweinständen sammeln sich unerträgliche Mitmenschen, deren Menschenschmasse weit in den Neuen Platz hineinreicht. Irgendwo dazwischen, quasi Moshpit, klatscht ein Krampus (trug er überhaupt eine Maske) den Mädchen an den Hintern.

K. und ich gehen abseits zum alten Platz, alter Platz für alte Menschen, die keine Nerven haben für andere. Unser Gang ist begleitet von den abgehackten Tscheppern von Kuhglocken, schreienden Kindern, Knallen und Lautsprechermusik. Wir geraten von der einen in die nächste Masse Mensch. Ob das Krampusse auf Motorrädern sind, die durch die Leute durchfahren. Hier sind noch mehr Menschen, sie stehen vor Absperrgittern, drehen ihr Köpfe nach rechts, weg von einer Bühne, die links steht. Rechts ist nichts zu sehen, von der Bühne aus kommentiert ein Moderator, vermutlich Mike Diwald, der Schwiegersohn von Radio Kärnten, das Geschehen und sagt, dass alle auf die Nächsten warten. Über Lautsprecher wird der alte Platz mit Musik beschallt, K. sagt Deathmetal zu Rammstein, auf einer Bank steht ein jünges Pärchen, das sich, schließlich war es auch nicht so kalt, gegenseitig ausgrapscht.

Wir kaufen uns zwei Einwegbecher Glühwein und warten auf das Spektakel, das für mich eher darin besteht, den angetrunkenen Jugendlichen zuzuschauen, die zwischen Müllkübeln und ihren ebenso angetrunkenen Freunden herumeiern. Viele sind im Gesicht schwarz angemalt, ich frage mich, ob es hier Autodrom oder was gibt, K. erklärt mir, dass das die Krampusse waren. Schließlich kommen die Krampusse, die durchnummeriert an den Absperrgittern vorbeigehen, sich fotographieren lassen und den kleinen Kindern die Kappe übers Gesicht ziehen. Bemerkenswert ist ein Krampus mit Laubbläser, der das Publikum damit wegpusten will, das sich aber von ihm wegdreht. Der Laubbläserkrampus bläst sich selbst auf die Maske, seine langen Haare wehen im Wind.

Später werden wir bemerken, dass alle erträglichen Innenstadtlokale geschlossen sind und wir werden uns auf den Weg machen zur Showbar, in der der nächste Krampus als Barkeeper mit Pfeife um den Hals den Gästen Laune und Alkohol einflößt. Ich hasse Barkeeper, werde ich zu K. sage, diese Vereinigung des Üblen von Strandanimateuren und Schauspielern. Der Barkrampus macht alles besonders theatralisch, jede Bewegung ist eine zur Schau gestellt Geste. Beim Wechseln der Musik von Track A auf Track B, wird der Barkeeper seine um den Hals hängende Trillerpfeife in den Mund nehmen und ein paar Töne in das Lokal pfeifen. Er wird mit Flaschen und Gläsern jonglieren, dazu herumtanzen, den Bartisch anzünden, seinen Cocktailshaker schwingen und der Kellnerin zuwinken.

Karsten Krampitz schreibt, dass man sich in Kärnten nur zu Tode trinken kann, der einzige Ausweg aus der tiefsitzenden und allumfassenden Melancholie in dieser Beckenlage. Realistisch betrachtet, gibt es sonst auch nicht so viel mit sich anzufangen, wenn man nicht vom Laubbläser davonwehen lassen möchte.

In der Showbar werden sich zwei drei Muskeltpyen in engen T-Shirts ein Schnitzel vom benachbarten Italiener bestellen, der es ihnen in die Showbar auf den Tisch bringen wird. K. und ich werden unsere theatralisch gemixten Mischgetränke trinken und ich werde zuschauen, wie die Muskeltypen ihr Schnitzel essen.