Samstag, 6. Juni 2015

Der Mensch ist was 2

Das Frühstück, wo ist es? Ein Pfeil zeigt von der Rezeption nach hinten, dort ist aber nur der Durchgang zum Innenhof. Ich gehe zurück zum Pfeil, folge ihm erneut nach und bin wieder im Innenhof, Verwirrung. Eine unscheinbare Tür mit nebenmontiertem Kartenleser ist die Lösung des Frühstückrätsels: Ein Eingang, der sich Hotelgästen zur benachbarten Bäckerei öffnet, die von Stefan. Ein kleiner, müder Schritt führt von einem Raum in den anderen, wo sich alles ändert: Dekorierte Wände, Musik und Brotgeruch statt karger Hotelwände mit einem sauberen Hauch von Putzmittel. Ich wäre nicht überrascht, wenn die Tür hinter mir beim Zufallen verschwindet. Was ist das für eine Welt? Das totale Hotel, in dem man seine Karte nur in den Schlitz neben einer Tür zu stecken braucht und sie öffnet sich hin zu sonstwo, zur Bäckerei von Stefan oder zur Rathaus-Galerie, zur Uni, zum Bahnhof, zum Schlafzimmer, nach Indien, nach Marokko usw. usf.

Verlängerter, Joghurt mit Müsli und Schnippelobst, Croissant (Sind alle Croissants mit Nougart-Füllung, ja, und haben Sie auch welche ohne Nougart, ja, haben wir, gut, dann bitte so eines, bitte gerne Croissant ohne Füllung, einmal), 7,50 Euro. Die Ignoriertem bemerken, dass man an der Theke bestellt, zahlt und – bis auf den Kaffee – sich selbst serviert.

Ich unterhalte mich während eines ausgedehnten Frühstücks, das ich damit begonnen habe, in der Zeitung etwas über die Farbe der Unterhose von Angelina Jolie zu lesen (gelb), über die Ausdehnung der Materie. Wir tauschen unsere Bücher aus, alles sehr nett und freundlich.

An der Uni kann ich in den Gängen keine Regelmäßigkeit in der WC-Anordnung finden: Damen-WC, Damen-WC, Barrierefreies-WC (zugesperrt), Damen-WC. Schließlich entdecke ich gleich zwei WCs im Keller, m&w nebeneinander. Das WC nimmt alles, was man ihm gibt, darüber hinaus alles von allen: beim Herren-WC hat jemand den eleganten Herren im Anzug mit einem Sticker überklebt, auf dem steht, Ich bin für ALLE* offen, *-Referenz: m, w, trans, inter usw.

Ich lasse mir erzählen, dass es gar nicht so viele Vortrags-Einreichungen gab, kaum etwas abgelehnt, alles von allen war willkommen, insofern, einige merkwürdige Vorträge auch.

Ein ironischer Mülleimer nimmt auch alles.

Die Vorträge, alles von allen, alles in allem, interessant und weitgehend gut, trotzdem, wie immer, Hauptgewinn in Conference Bingo gut möglich:

  • der obligatorische Gender-Plenar-Vortrag wird (1) von einer Frau gehalten, die (2) irgendwie komisch angezogen ist.
  • I have two answers, a short one and a long one, and I will tell both.
  • ich ändere das Thema meines Vortrags, den Titel and the language I want to talk.
  • der Vortragende muss jetzt nach Istanbul fliegen.
  • ich habe diesen Vortrag das letzte Mal vor homöopathischen Ärzten gehalten.
  • ein tätowierter Hipster trägt zu Foucault vor.

Beim Mittagessen in der Pizzeria esse ich köstlichen griechischen Salat und neben mir sitzt eine Touristinnenfamilie mit drei kleinen Mädchen, die ihre Pizza teilweise selbst essen und sie teilweise ihren Stofftierhunden verfüttern möchten, die alle Laura heißen. Alle drei Mädchen erschrecken sich bei den Geräuschen der Flugzeuge.

K regt sich immer auf, wenn ich im self-service-coffee-and-more meine Tassen zurückbringe. Ich werde am Nachmittag in einem kleinen und obwohl nicht viele Leute dort sitzen werden, irgendwie hektischen Café einen Kaffee bestellen, und erneut wird es Selbstbedienung sein. Man bestellt an der Theke, trägt den Kaffee selbst nach draußen und gießt dann die Milch, Kaffeesahne, aus diesen kleinen Milchpackungen hinein, die ich nie aufbekomme, die unmöglich aufzubekommen sind, immer reist das Stück Deckel ab und ich tropfe die Milch dann halt langsam aus dem kleinen aufgerissenen Loch in die Tasse mit Kaffee, die am Plastiktablett steht.

Mir wird dämmern, dass es keine Bedienung gibt, wenn an den Tischen keine Menükarten stehen. Bin ich überheblich, wenn ich sage, dass mir das schon lästig ist? Wenn der Kaffee usw. billiger wäre, gut, ist er aber nicht. Die Frage liegt auf der Zunge, ob ich nicht, gern auch gratis auf den Knopf drücken soll, an der Maschine für den Kaffee, und wenn die Thekenbedienung möchte, kann sie mir auch Trinkgeld geben, wenn ich mein Plastiktablett zum Tisch hin- und später dann vom Tisch zurückbringe.

Am Abend frage ich eine Philosophin, ob sie objektive Phänomenologie wirklich ernst nimmt und sie fragt, ob ich sie das jetzt wirklich fragen will und wir einigen uns auf die interessantere Frage, ob jemand vom schon geschlossenen Buffet noch Bier mitgenommen und noch nicht ausgetrunken hat.

Jemand fragt mich, wie er von seinem Smartphone installierte Apps löscht und ich sage, dass man dazu mit dem Finger so lange auf ein Icon hält, bis Lösch-Symbole erscheinen und jemand anders sagt zu mir, das ist sowas von überhaupt nicht Punk, was ich da sage.

Die Häuser ziehen vorbei und traurige Gesichter, die noch trauriger werden staunen, wie schön die Probleme der anderen sind.

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